Endlich konsequente A-Werk-Politik
Von Felix Feigenwinter
Über die Ungereimtheiten baselstädtischer Atomkraftwerk-Politik war vor der Abstimmung über eine Beteiligung Basels am A-Werk Gösgen-Däniken viel geredet und geschrieben worden. Das aktive Basler Stimmvolk hatte die Gelegenheit, zu einer dieser Fragen Stellung zu nehmen, zu einer unmissverständlichen grundsätzlichen Meinungsäusserung benützt und der unkonsequenten Haltung einiger massgebender Spitzenpolitiker den Riegel geschoben. Der Präsident des siegreichen Abstimmungskomitees, der freisinnige Pfarrer und Grossrat Erwin Anderegg, hatte diesen (ja auch ganz im Sinne des unbestechlichen und folgerichtigen Einsatzes des "doppelstab" ausgefallenen) Volksentscheid als ein "Signal" bezeichnet. Dass dieses Warnzeichen, das zugleich Anstoss zu einer neuen A-Werk-Politik sein muss, noch immer nicht überall als solches begriffen worden ist, zeigte sich allerdings am Donnerstag letzter Woche in der Grossrats-Debatte über die Standesinitiative zur Standortplanung für Atomkraftwerke und zur Abänderung des Bundesgesetzes "für die friedliche Verwendung der Atomenergie und Strahlenschutz vom 23. Dezember 1959". Zur Diskussion und Abstimmung standen einerseits der von der Regierung empfohlene Text, der sich auf die Standesinitiative des Kantons Aargau abstützte, und andererseits der bedeutend schärfere, konkretere und differenziertere Gegenentwurf, der von 23 Grossräten aus verschiedenen Fraktionen unterschrieben worden war.
Grundsätzlich unterscheiden sich diese beiden Vorlagen vor allem darin, dass der Gegenvorschlag im Gegensatz zur unverbindlicheren regierungsrätlichen Fassung erstens fordert, dass "Bewilligungen für die Erstellung und den Betrieb von Kernkraftwerken solange auszustellen" seien, "bis die genannten Bedingungen erfüllt sind". Bei den betreffenden Bedingungen handelt es sich um ein Gesamtenergiekonzept, das auch neue Energiequellen einbezieht sowie um eine umfassende Standortplanung, bei der den Grenzen der Belastbarkeit der Umwelt, den Belangen der Raumordnung und jenen der Landesplanung Rechnung zu tragen ist.
Und zweitens begehrt der Gegenentwurf, dass den "Stimmberechtigten derjenigen Gemeinden und Kantone, in deren Bereich eine Kernkraftanlage geplant ist, zur Standortfrage vor Erteilung der Bewilligung ein Mitspracherecht einzuräumen ist".
Um was es hier ging, sprachen verschiedene Grossräte - Befürworter wie Gegner des Gegenvorschlags - deutlich aus. Ein Gegner, der sich vor einigen Wochen für eine Beteiligung am Werk Däniken-Gösgen eingesetzt hatte und sich nun verständlicherweise hinter dem unverbindlichen regierungsrätlichen Ratschlag verschanzte, meinte, die Formulierung des Gegenentwurfes könnte ja bedeuten, dass im Bau befindliche A-Werke nicht in Betrieb genommen werden dürften.
Die Mehrheit des Grossen Rates war jedenfalls gut beraten, den regierungsrätlichen Initiativtext abzulehnen und dafür den Gegenentwurf der 23 Grossräte zur Standesinitiative zu erheben, die dann mit 64 gegen 39 Stimmen (bei sechs Enthaltungen) sehr überzeugend genehmigt wurde. Das lässt hoffen: Die Mehrheit des Grossen Rates scheint begriffen zu haben, dass es sich ein Parlament nicht leisten kann, sich über deutliche Volksentscheide hinwegzusetzen. Ein Anfang zu einer konsequenten baselstädtischen A-Werk-Politik ist damit gemacht.