1976 kandidierte auch der damalige Sekretär der kommunistischen Partei der Schweiz (Partei der Arbeit), Hansjörg Hofer, für den baselstädtischen Regierungsrat. - Der Artikel erschien vor den Wahlen im "doppelstab"

Kommunistischer Verwaltungsratspräsident

Von Felix Feigenwinter

Wenn man ihn so sieht, wie er in seinem eleganten grauen Anzug im Lederfauteuil seines grosszügigen, modernen Heimes im Kreise seiner Familie sitzt, hält man ihn eher für einen erfolgreichen Geschäftsboss als für den Sekretär der kommunistischen Partei der Schweiz, genannt Partei der Arbeit.

Und der Schein trügt nicht einmal: Hansjörg Hofer übt die genannte Parteifunktion mit dem ganzen Gewicht seiner markanten Persönlichkeit aus, doch gleichzeitig ist er geschäftsführender Direktor und Verwaltungsratspräsident des Reisebüros Cosmos AG, dessen Kapital ihm zu einem Drittel gehört. Also ein kommunistischer Kapitalist?

Hansjörg Hofer scheint diese Konstellation, mit der er sich zu identifizieren hat, einen Moment lang zu amüsieren - er grinst darüber; doch dann meint er mit provokativem Ernst: "Ich würde gerne in einem staatlichen Reisebüro tätig sein; aber man muss halt seinen Beruf in den Verhältnissen ausüben, die man vorfindet". Frau Hofer, die ebenfalls eine engagierte Kommunistin ist, ergänzt: "Man muss wirtschaftlich unabhängig sein, wenn man sich politisch derart exponiert". Und nach einer Pause: "Wir sind keine Asketen, einer schönen Wohnung und einem guten Essen sind wir nicht abgeneigt. Aber wenn wir können, teilen wir." Die grosse Dachterrasse, die zur stilvoll eingerichteten Wohnung mit Cheminée gehört, betrachtet Frau Hofer als eine Entschädigung "für nicht gehabte Ferien".
 

Frau hat "immer eine grosse Rolle gespielt"


 Kennengelernt haben sich Herr und Frau Hofer, die während des Zweiten Weltkriegs in Opposition zum Faschismus des nationalsozialistischen Deutschlands in der damals illegalen schweizerischen sozialistischen Jugend mitwirkten, in der "Freien Jugend". Seit 1944 wurden sie beide Mitglieder der (in den Jahren vorher ebenfalls verbotenen) Partei der Arbeit - und sie sind es, trotz zum Teil existenzbedrohender Anfeindungen, bis heute ununterbrochen geblieben.

Nach dem Krieg entfaltete das junge Ehepaar ein reges Engagement auf dem Gebiet des Volkstourismus, das heisst es wurden Ferien zu günstigen Preisen für breite - und vor allem minderbemittelte - Volksschichten organisiert. Aus dieser ursprünglich rein idealistisch beziehungsweise sozialpolitisch motivierten Tourismustätigkeit entwickelte später der als kaufmännischer Angestellter und Fremdsprachenkorrespondent ausgebildete Hansjörg Hofer dann eben das Reisebüro Cosmos AG, welches er vor 15 Jahren zusammen mit Freunden gründete.

Frau Hofer, die mehr intellektuell als kaufmännisch interessiert ist, hatte in den Fünfzigerjahren begonnen, Jurisprudenz zu studieren. 1956 musste sie ihr Studium als Folge der Ereignisse in Ungarn abbrechen: Die Empörung wegen der Zerschlagung des ungarischen Widerstandes durch die Sowjetunion hatte damals auch weite Kreise der Studentenschaft erfasst, und Frau Hofer fühlte sich an der Uni nicht mehr sicher. Als Kommunistin wurde ihr das Leben sauer gemacht - wobei sie betont, dass ihr dies in erster Linie aus Kreisen der Studenten und nicht von der Seite der Professoren widerfahren sei. Sie sei richtiggehend "hinausgeekelt" worden. Frau Hofer wollte es damals nicht auf eine harte Auseinandersetzung ankommen lassen, weil sie zuhause noch Mutterpflichten zu erfüllen hatte. Und heute, aus nachträglicher Sicht, findet sie, "in einer Familie, in der alle auf Sprung sind, schadet es nichts, wenn jemand da ist, der Zeit hat, alle in Ruhe anzuhören".

Hansjörg Hofer betont, dass "in unserer Familie meine Frau immer eine grosse Rolle gespielt hat. Das Wort meiner Frau hat grosses Gewicht. In politischen und menschlichen Fragen hat sie unseren Kindern und auch mir viel gegeben". Nach Hansjörg Hofer "gibt es einige Gebiete, wo mir meine Frau überlegen ist". - Wäre eine andere Rollenverteilung nicht ebenso sinnvoll gewesen, wage ich zu fragen - warum hat Hansjörg Hofer die politische Karriere nicht seiner Frau überlassen? Doch da erklärt Frau Hofer entschieden: "Ich könnte viele Belastungen, die mein Mann zum Erstaunen vieler aushält, nicht verkraften. Mein Mann ist robuster als ich!" Ein Trost für ihr abgebrochenes Studium mag sein, dass ihr Sohn Stefan, der übrigens Gründungsmitglied der progressiven Studentenschaft war und heute der PdA-Grossratsfraktion angehört, Jurist geworden ist. Die Tochter, die am Holbeingymnasium die Matur machte, genoss eine Ausbildung als Russisch-Übersetzerin. Heute ist sie in Moskau verheiratet.

Erinnerungen des Coiffeursohns


Hansjörg Hofer ist am 2. März 1925 als Sohn eines Coiffeurmeisters und einer Schneiderin in Biel geboren. Drei Jahre später zog die Familie ans Rheinknie, wo mein Gesprächspartner zur Kinderschule ging. Nach dem Besuch des Realgymnasiums absolvierte er bei der Firma Bell AG. eine kaufmännische Lehre und spezialisierte sich später in einer Transportfirma zum Fremdsprachenkorrespondenten. Hansjörg Hofers Vater war schon 1929 in die kommunistische Partei eingetreten und gehörte stets zur "ganz linken Arbeiterbewegung". Daraus hatte er auch gegenüber seiner Kundschaft nie ein Hehl gemacht, wie ich erfahre. Hansjörg Hofer erinnert sich lebhaft daran, wie sein Vater, während er Kunden rasierte oder das Haar schnitt, sich in hitzige politische Diskussionen verstrickte. Ein Grossteil seiner Kundschaft umfasste allerdings links organisierte Arbeiter, so dass sich da keine grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten ergaben. Falls sich aber doch einmal ein engagierter Vertreter einer anderen politischen Richtung ins Geschäft von Papa Hofer "verirrte", konnte es sehr lautstark zu- und hergehen. In der Regel habe Coiffeurmeister Hofer aber auch solche Kunden trotz hitziger Diskussionen letztlich zu ihrer Zufriedenheit bedient. Nur einmal habe er einen Mann mit unfertiger Rasur entlassen. Der Betreffende hatte sich als Nazi entpuppt. Hansjörg Hofer: "Dieser Kerl hatte sich sehr mies geäussert - da hat ihn mein Vater einfach nicht weiterrasiert."

Kultur für breite Volksschichten

Von seiner Neigung her würde Hansjörg Hofer, falls er zum Regierungsrat gewählt würde, am liebsten das Erziehungsdepartement übernehmen. Das mag nur Uneingeweihte überraschen. Wer den vielseitigen PdA-Politiker näher kennt, der weiss, dass dieser unternehmungslustige Geschäftsmann seit jeher ein leidenschaftlicher Förderer kultureller Bestrebungen innerhalb der Arbeiterbewegung war und ist. Schon früh hat er sich an der kulturellen Schulung junger Parteigenossen beteiligt, sich dafür eingesetzt, "dass der Arbeitnehmer an die Kultur herangeführt wird" - wobei er in die "Pflege des eigenen Kultur-Erbes", das er für wesentlich hält, ausdrücklich auch die bürgerliche Kultur miteinbezieht. Im Rahmen der Bewegung "Kultur und Volk" organisierte Hansjörg Hofer schon in den Fünfzigerjahren Ausstellungen, Konzerte und Filmveranstaltungen.

Er selber ist ein begeisterter Theater-, Konzert- und Ausstellungsbesucher, und neben dem Lesen zahlreicher Zeitungen (wobei die Auswahl von der "Neuen Zürcher Zeitung" über das "Vorwärts" bis zum "Neuen Deutschland" reicht) vertieft er sich in späten Abendstunden auch gerne in politische und bellletristische Literatur. Hansjörg Hofer ist nämlich davon überzeugt, dass ein Mensch, der nicht liest, "stillsteht". Mit grosser Freude sammelt er Ausstellungs-Kataloge und Theater-Programmhefte aus dem In- und Ausland, die ihm auch noch nach Jahren eine gewisse Übersicht über das kulturelle Geschehen vermitteln, und fast überraschend "konservativ" bekennt er sich als Musikliebhaber zu Beethoven, Schubert und Mozart. Für ihn ist das "die Musik, die mich am meisten entspannt". In Fachkreisen gilt Hansjörg Hofer ausserdem als Brecht-Experte.

Sozialpolitische Verbesserungen erreichen

Falls eine Linksmehrheit in der Regierung zustandekäme ("drei SP-Leute und ich"), erwarten Hansjörg Hofer und seine PdA-Genossen nicht, dass man in Basel kommunistische Ziele durchsetzen kann, "aber unser Ziel wäre, zusammen mit der SP wesentliche sozialpolitische Verbesserungen zu erreichen". Mit einer Linksmehrheit wäre "Basel eine Insel, aber andere Kantone würden von dieser Linksmehrheit in Basel profitieren".