Verharmlosung von Gewaltideologien
„Weder Ideologie noch Religion“; Baz 26.7.11
Dass Londons Stadtpräsident Boris Johnson den norwegischen Attentäter mit islamischen Selbstmordattentätern vergleicht, ist naheliegend und nachvollziehbar. Tatsächlich scheint Breivik die Terroranschläge muslimischer Gotteskrieger nachgeahmt zu haben - inhaltlich mit umgekehrten Vorzeichen. Johnsons Betrachtung erscheint mir aber unzulänglich, wenn sie den Einfluss von Ideologie und Religion, auf die sich solche Attentäter berufen, zu bagatellisieren versucht. Dass es zwischen Religionen grundlegende und prägende Unterschiede gibt (es gibt friedliche religiöse Botschaften mit Ermahnungen zur Nächstenliebe, zum Verzicht auf Gewalt - aber auch das Gegenteil, verbindliche Aufrufe zum kriegerischen Kampf, zur Vernichtung von Ungläubigen), sollte eine seriöse Analyse nicht verschweigen. Die Unterscheidung zwischen individueller Persönlichkeitsstruktur von Tätern und deren Beeinflussung durch Ideologien sollte nicht zur pauschalisierenden Verharmlosung, gar Verherrlichung totalitärer Gewaltdoktrinen führen.
Felix Feigenwinter, Basel
(erschienen in der "Basler Zeitung" am 28.7.2011)