Warte, Pferd
Von Felix Feigenwinter
Aus den Backstuben dringen feuchtsüsse Gerüche in den Morgendämmer, streichen verführerisch um Häuserecken und Triefnasen; meine Nase ist die einzige weit und breit. Und der Schnee flockt starr und stockend. Da haben wir in zwei Woche Ostern, trompetet eine Zeitungsfrau in den Schneewirbel hinaus; ihre Nase steckt in einem Wollschal drin. Eine schöne Bescherung das!
Aber Osterhasen pflücken vielleicht Winterastern? Was wissen wir schon! Und überhaupt: Diese ewige Nörgelei. Dabei steigt es würzig aus geheizten Räumen. Ah, wie behaglich! Schon räkle ich mich am Tischchen, knistere und raschle mit der Morgenzeitung. Nebenan knetet ein Jüngling die Hand einer häuslichen Tochter, lässt sie nicht los, als wollte er wimmern: „Wie verloren ich doch bin ohne diese warme Köstlichkeit!“ Die Tochter duldet das klobige Werkzeug, sie mag sich denken: „Der arme arme kleine Junge“. Und ich schlürfle mein ah, so behagliches Braungebräu und denke: Ja, so prächtig beginnt mein Tag! Dann trete ich auf die Strasse, in den Frühlingsschnee hinaus. Am Kohlenberg sehe ich ein Pferd, das mir flüchtig zunickt und dabei „Guten Tag“ sagt. Erstaunt, dass das Pferd sprechen kann, rufe ich: „Warte, Pferd!“ Doch das Tier ist um die Eck verschwunden. Ich lüfte den Hut und begebe mich ins Büro.
Anderntags stehe ich früh auf, denn ich will das Pferd nicht versäumen. Das Knallen seiner Hufe höre ich schon von weitem. Wie es mich erblickt, schnalzt es mit der Zunge. „Guten Tag, Pferd“ grüsse ich. Ein Wiehern. Dann schnaubt es aus geblähten Nasenlöchern und trabt davon.